Wo sind die Wärmepumpen-Ultras?

Eine Idee, um die Wärmewende voranzubringen

Hi Cleantechie!

Dieser Newsletter gibt dir jede Woche in 5 Minuten den Überblick über die wichtigsten Unternehmen, Forschungsdurchbrüche und Trends der Branche.

Für Cleantech Ing. habe ich große und kleine Ziele. Wer den Newsletter schon länger liest, hat vielleicht bemerkt, dass der letzte gute Link immer etwas kurios ist. Dahinter steckt ein kleines Ziel von mir: Gründe für schlechte Laune gibt es in der Klimakrise schon genug. Ich will dich aber jedes Mal mit einem Schmunzeln in den Tag schicken.

In den Analysen schaue ich heute auf die Wärmewende, eine Wasserstoff-Studie und abgebrühte Klima-Investoren.

Let’s go!

Wo sind die Wärmepumpen-Ultras?

  • Im ersten Quartal 2024 ist der Wärmepumpen-Absatz um 52% eingebrochen. Das zeigen neue Zahlen des Bundesverbands der Heizungsindustrie.

  • Das lag zum Teil daran, dass Installateure vergangenes Jahr mehr Wärmepumpen geordert hatten, als sie verbauen konnten. Sie wollten sich gegen Lieferschwierigkeiten schützen.

  • Weitere Gründe, die genannt werden: zu hohe Kosten, unklare Förderprogramme, allgemeine Verunsicherung.

🍏 Was ich denke

Wärmepumpen haben ein paar Gegner, ein paar Fans – aber zu wenige Ultras.

Ultras sind im Fußballstadion diejenigen, die auch dann noch singen, wenn der eigene Verein 0:5 zurückliegt. Solche Leute fehlen Wärmepumpen. Denn deren Image ist gerade miserabel. Fehler der Ampel, eine Kampagne der Union, Lobbydruck aus der Gasindustrie – die Debatten um das GEG/Heizgesetz haben die Hausbesitzer verunsichert. Nicht genug von ihnen steigen um.

Das fiel mir schon vor ein paar Monaten auf. Deswegen begann ich, mich im Markt etwas umzuhören und sprach dabei auch mit einer Mitinhaberin einer 60-Mitarbeiter-Firma für Heizungstechnik. Ihr Fazit: Viele Kunden glauben, dass die Wärmewende abgesagt wird. Sie glauben, dass zukünftige Regierungen die entsprechenden Gesetze wieder abräumen.

Was mir die Firmenchefin sagte, postete ich auf meinen sozialen Kanälen (LinkedIn/Twitter/Mastodon) – und bekam Dutzendfach die immer gleichen Rückmeldungen von Hausbesitzern. Sinngemäß: „Unser Installateur hat uns zum Einbau einer Gastherme geraten.“

Wie soll so die Wärmewende gelingen?

Das Wort der Installateure hat vor allem in kleineren ländlichen Gemeinschaften, wo es oft nur ein oder zwei Betriebe gibt, großes Gewicht bei der Kundschaft. Sie verlässt sich auf die Expertise der Handwerker vor Ort. Man kennt sich ja schon seit Jahren.

Aber selbst für manche dieser Profis sind Wärmepumpen noch eine neue und nach den Debatten um das Heizgesetz auch vielleicht suspekte Technologie. Die Wärmepumpe muss sich erst beweisen. Und das ist schwer bei Menschen, die ihr ganzes Berufsleben lang nur Gasthermen eingebaut haben – auch weil sie nichts anderes einbauen durften.

Denn um manche, bisher gängigen Typen von Wärmepumpen überhaupt einbauen zu dürfen, müssen Installateure den „Kälteschein“ machen. Das kann vier bis fünf Tage dauern und mehr als €1500 kosten. Für einen Arbeitgeber sind das, den Verdienstausfall schätzungsweise eingerechnet, direkt knapp €3000 Kosten für nur einen Mitarbeiter. Das zu investieren, kann keiner Firmenchefin leichtfallen, während der bayerische Vize-Ministerpräsident für Wasserstoff-Heizungen wirbt, der Kanzler schweigt und die regierende FDP „Technologieoffenheit“ fordert.

Nicht nur die Kunden sind verunsichert, die Installateure sind es auch.

Aber den Installateuren hätte die Bundesregierung schon viel früher und deutlicher signalisieren können: „Wir brauchen euch, deswegen kümmern wir uns um euch!“ Sie hatte das wohl auch erkannt und ein Förderprogramm für Wärmepumpen-Schulungen von Installateuren aufgelegt. Sie fördert aber nur das. Weder sind Hilfen für die Ausfallstunden enthalten, noch Gelder für den Kälteschein. Ich habe auch keine Kampagnen gefunden, die sich speziell an Installateure richten.

Im sogenannten SHK-Handwerk (Sanitär, Heizung, Klima) arbeiten aber knapp 400.000 Menschen in Deutschland. Jeder einzelne von ihnen hätte zu einem Wärmepumpen-Ultra werden können. Einer, der bei den Kunden, Nachbarn und Bekannten, auch jetzt noch für die klimafreundliche Technologie wirbt.

Die Bundesregierung hat da an der falschen Stelle gespart. Jede Fußballmannschaft weiß doch: Richtig laute Ultras auf den Rängen musst du dir verdienen.

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Mehr „bang for the buck“ ohne große eigene Wasserstoffproduktion in Europa

  • Philipp C. Verpoort und Mitautoren vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) zeigen, dass Länder mit eher wenigen Erneuerbaren, wie Teile der EU, Japan und Südkorea, zwischen 18 und 38 Prozent ihrer Produktionskosten einsparen könnten – wenn sie industrielle Vorprodukte importieren, anstatt sie selbst herzustellen.

  • Sie nennen das den „renewables pull“.

  • Das Team hat drei Kernzutaten der Industrie angeschaut und die Ersparnisse errechnet, wenn Strom anderswo €40/MWh günstiger ist:

    • Grüner Stahl - 18% Ersparnis

    • Harnstoff (braucht man u. a. bei Düngemittelproduktion) - 32%

    • Ethylen (Vorprodukt der chemischen Industrie) - 38%

  • Grünen Wasserstoff per Schiff zu importieren und diese Vorprodukte selbst herzustellen, würde nur 1-2% an Kosten sparen, weil der Schiffstransport so teuer ist (!). Günstiger wäre der Import von Rohstoffen oder Vorprodukten wie Eisenschwamm, Ammoniak oder Methanol.

🍏 Was ich denke

Wenn wir darüber nachdenken, wie Regierungen die Dekarbonisierung der Industrie unterstützen können, müssen wir auch darüber nachdenken, welche Steuer-Euros den größten Effekt haben.

US-Amerikaner nennen das „bang for the buck“ (es bezog sich ursprünglich wirklich auf Militärausgaben) und das ist im Kontext von potenziell hochexplosivem Wasserstoff natürlich ein Wortspiel, das ich mitnehmen musste.

Die Studie aus Potsdam zeigt aber: Europa muss nicht zwangsläufig auf eigenen Wasserstoff setzen, so wie es die Regierungen gerade planen. Als russisches Gas ab dem Ukraine-Krieg immer weniger wurde, war der erste Impuls europäischer und vor allem auch deutscher Regierungen: Wir ersetzen Gas direkt, als Energieträger und als Grundstoff der Industrie.

Aber Europa wird nicht schnell genug grünen Wasserstoff produzieren. Die EU hält zwar den Weltrekord für angekündigte Elektrolyseur-Kapazität mit 205 GW. Aber nur 3,1 GW werden davon laut einer Studie von PwC bisher auch sicher gebaut.

Auch die Welt wird nicht schnell genug sauberen Wasserstoff produzieren, wie dieser Chart der IEA zeigt. Du siehst die globalen Produktionsziele für CO₂-armen Wasserstoff (lila Balken) und was zurzeit produziert wird (türkisfarbene Balken).

Vor ein paar Wochen schrieb ich zum Wasserstoff-Kernnetz: „Es müssen nicht alle Industrieprozesse, für die wir heute H₂ vorsehen, am Ende auch wirklich damit laufen.“ Je mehr ich über die Kosten der molekül-basierten Alternativen (Wasserstoff, Biomethan u.a.) erfahre, desto sicherer werde ich mir: Alles, was elektrifiziert werden kann, wird auch elektrifiziert werden. Auch in der Industrie.

Wasserstoff werden wir dann fast nur noch als Grundstoff brauchen. Und genau hier setzt diese wichtige Studie an. Selbst dieser Grundstoff-Einsatz könnte sich für Europa nicht lohnen.

Es könnte deutlich billiger sein, Vorprodukte zu importieren.

Die Studien-Autoren schränken aber ein, dass Kostenfragen nicht allein entscheidend seien für solche Standort-Entscheidungen. Wenn Europa eine eigene vollintegrierte Stahlindustrie haben will (Lieferketten, da war doch was), dann könnte es sich das mit großen Schecks durchaus leisten.

Robert Habeck überreicht einen

Robert Habeck überreicht der Salzgitter AG einen großen Scheck. © BMWK/Dominik Butzmann

👉️ Steige tiefer ein

Klima-Investoren bleiben ganz cool im KI-Hype (noch)

  • Climatech-Investoren halten sich bei allen KI-Startups zurück, schreibt Katie Brigham vom US-Portal Heatmap. Sie hat mit mehreren Investoren auf der San Francisco Climate Week gesprochen.

  • „Vielleicht macht KI [das Produkt] besser oder schneller oder was auch immer. Aber ich glaube nicht, dass wir bisher viele neue große Märkte gesehen haben, die plötzlich durch KI erschlossen werden“, sagt eine Investorin.

  • Das könnte sich aber mit speziellen KI-Modellen für Biologie, Werkstofftechnik oder Chemie ändern.

🍏 Was ich denke

Ich tue jetzt nicht so als würde ich mich mit KI besonders gut auskennen.

Ich bin aber als Schreiber Erstbetroffener von großen Sprachmodellen. Wie gut die Chatbots schreiben können, kann ich einschätzen.

Sie sind passabel, aber nicht gut. Es klingt hakelig; immer so, als würde den Modellen, die wirklich passende Formulierung auf der Zunge liegen, aber gerade nicht einfallen.

Das liegt daran, dass sie mit statistischen Modellen arbeiten und sich immer nur an die passende Formulierung annähern. Kurz gesagt: Sie raten strukturiert herum. Sie haben kein eigenes Verständnis von gut und schlecht oder richtig und falsch.

Wenn du aber ein kniffliges Cleantech-Problem lösen willst, ist das ein Problem. Überspitzt ausgedrückt: Niemand sollte raten müssen, wo genau die Schraube an der Maschine nun angebracht werden muss. Entweder sie sitzt im Loch oder nicht.

Natürlich können KI-Modelle hervorragend große Datensätze verarbeiten und darauf setzen auch viele Cleantech-Startups. Das aber ist nicht per se ein Wettbewerbsvorteil, wie ein Investor im oben verlinkten Text anmerkt.

Die wirklich großen KI-Sprünge werden wir im Cleantech-Bereich erst sehen, wenn die Modelle auf Millionen Datensätze aus der physischen Welt zurückgreifen können. Ein „Open AI für Chemie“ zum Beispiel, das Daten im hauseigenen Labor sammelt – da fängt es an, interessant zu werden.

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Rico Grimm

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