Jetzt kommen die toughen Probleme dran

Woran die nächste Generation von Cleantech-Startups arbeitet

Hi Cleantechie! 

Dieser Newsletter gibt dir jede Woche in 5 Minuten den Überblick über die wichtigsten Unternehmen, Forschungsdurchbrüche und Trends der Branche.

Diese Woche geht es um ein Wasserstoff-Netz für Deutschland, die nächste Startup-Generation und CO₂-Zertifikate.

In den Links heute Fokus auf Speicher und Akkus: ein Batteriepack sozusagen.

Okay, let’s go!

Startups – jetzt kommen die wirklich toughen Probleme dran

  • Der Thinktank Bloomberg NEF hat wie jedes Jahr Startups als „Klimapioniere“ ausgezeichnet. Dieses Jahr wählte die Denkfabrik diese Kategorien: Stromnetzausbau, Dekarbonisierung des Gebäudesektors und E-Fuel.

  • Interessant sind aber auch die drei kategorienlosen „Wildcards“: Element Zero will mit wechselhaftem grünem Strom hochwertiges Eisenerz gewinnen; Li-Metal will die Energiedichte von Festkörperbatterien vergrößern und Nature Metrics hat eine Methode entwickelt, um DNA-basiert Ökosysteme zu analysieren.

  • Noch mehr Ausblick: Climatetech-Investoren haben Freya Pratty von Sifted erzählt, in welchen Sektoren sie gerne mehr Startups sehen würden.

  • Deep Tech goes Mainstream: Wirtschaftsmagazin Capital widmet der „neuen Gründergeneration“ eine große Story. Firmen darin: Proxima Fusion, Cylib und Xolo. Leider hinter Paywall (€).

🍏 Was ich denke

Die Cleantech-Transformation erreicht ihre nächste Stufe: jetzt kommen die wirklich toughen Probleme an die Reihe.

Strom aus Wind zu gewinnen, ist eine sehr naheliegende Idee und vergleichsweise einfach umzusetzen. Aber einen Fusionsreaktor bauen? Die Tausenden Kilometer Stromleitungen modernisieren, die zum Teil auf 100 Jahre alter Technologie basieren? Die Batterien von E-Autos im großen Stil zu recyceln? Also wirklich bis an die 80, 90 % Recyclingquote zu gehen und das bei allen Batterien?

Das sind vertrackte technische Fragen, an denen letztlich hängt, ob die Energiewende gelingen kann oder nicht. Denn bisher haben wir aus technisch-ökonomischer Sicht nur die low-hanging-fruits abgeerntet: Energieerzeugung umstellen, E-Mobilität einführen.

Das letzte Fünftel Dekarbonisierung wird genauso schwer wie die ersten vier Fünftel zusammen.

Wer das Wasserstoff-Kernnetz wirklich braucht? Muss man sehen.

  • Der Bundestag hat den Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes beschlossen. Knapp 10.000 km lang soll es werden, bis 2032 fertig sein und die Industriezentren verbinden.

  • Was der Bundestag nicht beschlossen hat: den Aufbau eines Wasserstoff-Netzes, das die Mehrheit deutscher Haushalte erreicht. Damit wird es sicher keine Wasserstoff-Heizungen in Privathaushalten geben.

  • Wer Wasserstoff nutzt, soll das Netz mit Entgelten abbezahlen. Der Staat geht in Vorleistung.

  • Die Netzbetreiber hatten im Vorfeld hart gegen eine Regel gekämpft: Dass sie 24 % der Kosten tragen müssten, sollte der Wasserstoff-Hochlauf scheitern.

🍏 Was ich denke

Es ist das größte Infrastrukturprojekt Deutschlands, aber es ist nicht sicher, ob es auch das sinnvollste ist.

Denn wie viel Wasserstoff wo genau eingesetzt werden wird? Unklar. Es müssen nicht alle Industrieprozesse, für die wir heute H₂ vorsehen, am Ende auch wirklich damit laufen.

Es kann elektrische Alternativen geben.

Nehmen wir Stahl: Wir nehmen heute an, dass dessen Herstellung nur mit H₂-Reduktion grün werden kann. Deswegen stellt etwa die Dillinger Hütte im Saarland darauf um (unterstützt mit zwei Milliarden Euro vom Steuerzahler). Aber ArcelorMittal testet bereits heute Eisenerzelektrolyse, die komplett ohne H₂ auskommt und nur grünen Strom braucht. Technology Readyness Level dieses Verfahrens? Sechs von neun. Das heißt bald massenmarktfähig und im Investoren-Sweetspot.

Auch bei den anderen Industrieprozessen gibt es bereits Lösungen, die im Labor funktionieren. Die Frage ist, was schneller da ist: Diese elektrischen Lösungen oder das Wasserstoff-Kernnetz? Prognosen über die zukünftige H₂-Nachfrage schwanken entsprechend solcher Unsicherheiten um den Faktor 8 für das Jahr 2050 in Europa (Fraunhofer, Metastudie, PDF).

Dass die Netzbetreiber so hart dagegen gekämpft haben, am Ende 24 % der Kosten zu tragen, sollte das Projekt scheitern, zeigt, dass sie diese Argumente kennen und ihr Risiko minimieren wollen.

👉️ Steige tiefer ein 

  • Knackiger Überblick über elektrische Alternativen in der Industrie

  • Schöne, detailreiche Reportage aus der Dillinger Hütte in der SZ (€)

  • Schon jetzt ein Klassiker: die Wasserstoff-Leiter von Michael Liebreich

Gesucht: Marktregeln für CO₂-Zertifikate, damit der Markt mal regeln kann

  • Die Science-Based Targets Initiative (SBTI) prüft, ob Klimavorhaben von Unternehmen, dabei helfen, die Pariser Klimaziele zu erreichen.

  • Sie gilt wegen ihres kompromisslosen Ansatzes als die renommierteste Institution. Mehr als 4000 Unternehmen haben sich bisher prüfen lassen.

  • Jetzt gibt es Streit in der SBTI, weil dessen Führung es Unternehmen erlauben will, bestimmte Emissionen mit bestimmten CO₂-Zertifikaten gegenzurechnen.

  • CO₂-Zertifikate haben einen schlechten Ruf, weil es so einfach ist, mit ihnen zu betrügen.

  • Das Europäische Parlament hat gerade das „Carbon Removal Certification Framework“ (CRCF) angenommen, das für mehr Klarhheit sorgen soll. In den LinkedIn-Kommentaren von Sebastian Manhart gibt es eine gute Diskussion dazu.

🍏 Was ich denke

Ich bin ehrlich: Wenn ich „CO₂-Zertifikat“ höre, verstehe ich „Betrug“.

Ich verstehe das, weil die schlechten Nachrichten aus dem Markt mit freiwilligen Zertifikaten seit Jahren nicht abreißen. Da werden Regenwälder den Einheimischen aus der Hand genommen, Erdgas wird zu „Ökogas“ umdeklariert oder die Schutzwälder brennen einfach direkt ab, Emissionseinsparungen werden überschätzt usw.

Allerdings ist das nicht ganz fair und konstruktiv. Denn es könnte hauptsächlich gute Offset-Projekte und damit auch einen guten Offset-Markt geben. Und es wird die Dekarbonisierungsnachfrage aus diesem Markt brauchen, um Negativemissionen in die Marktwirtschaft zu integrieren (siehe letzte NL-Ausgabe.)

Wir stehen also vor einem kleinen Dilemma: Ein dysfunktionales System, das zum Betrug einlädt, werden wir brauchen, um die Klimakrise zu lösen.

Die langfristige Lösung in meinen Augen: Einheitliche politische Standards für gute Zertifikate, härtere Gesetze gegen Betrug und smarte Überwachung der CO₂-Projekte. Firmen wie Pachama und Sylvera arbeiten an KI-gestützten Lösungen.

👉️ Steige tiefer ein 

Noch. Mehr. Links.

🔋 Die BASF will in Finnland russisches Nickel zu Vorprodukten für Kathoden verarbeiten. Seit vier Jahren kann das Werk nicht öffnen, weil Behörden und BASF sich über die Umweltauflagen nicht einig werden. Streitpunkt dieses Mal: Die Deutschen wollten das Abfallprodukt Na­triumsulfat in der Ostsee verklappen. Dagegen hat eine Umweltschutzorganisation protestiert.

🔋 Doppelnews von CATL: Die chinesische Akkufirma kündigt eine E-Auto-Batterie mit 15 Jahren Lebensdauer und einen Netzspeicher mit 6,25 MWh Kapazität an (Teslas Megapack hat 3,9 MWh).

🔋 Vantaan Energia in Finnland plant den Bau einer unterirdischen saisonalen thermischen Energiespeicheranlage, die den Heizbedarf einer mittelgroßen Stadt für bis zu ein Jahr decken könnte.

🔋China weiht den weltweit größten Druckluftspeicher mit 1500 MWh Kapazität ein. Beim Druckluftspeicher in NRW (320 MWh) haben lokale Bauern noch Bedenken (€).

💶 Kernfusions-Startup Proxima Fusion aus München erhält €20 Millionen. Angeführt von Redalpine. Beteiligt auch waren Bayern Kapital, DeepTech & Climate Fonds und die Max-Planck-Gesellschaft.

🤘 Vulcan Energy hat zum ersten Mal Lithium in Deutschland gewonnen.

😎 Die Anzahl der Balkonkraftwerke in Deutschland hat sich 2023 verdreifacht. (Dunkelziffer noch deutlich höher, weil nicht jeder seine Balkon-PV anmeldet!).

🚗 Chinesische E-Auto-Käufer bereuen ihren Kauf. Der Grund: Es gibt nicht genug Ladeinfrastruktur. Alle anderen Länder können jetzt von China lernen, wie man solch eine Infrastruktur skaliert.

☕️ Zuerst explodierte der Preis für Kakao, jetzt folgt der Preis für Kaffee. Beides ist direkte Folge der Erderwärmung. Ich sage es mal so: Die Klimakrise zu lösen, ist schwer. Es ohne Schokolade und Kaffee zu tun, wohl unmöglich.

🎴 Siedler von Catan, die Energieedition, kommt im Herbst.

Das war die dritte Ausgabe dieses Newsletters! 🥳 🥳 🥳 

Falls du schon bei den Ausgaben 1 und 2 dabei warst: Füll bitte diese kleine Selbstauskunfts-Umfrage aus (Interessen, Clean-Tech-Bezug & Jobsituation).

Wer neu dazugekommen ist, kennt die Umfrage schon.

Die Infos helfen mir dabei, diesen Newsletter so wertvoll wie möglich für dich zu machen. Ich habe etwa erst durch die Umfrage realisiert, wie wichtig Speicher- und Batterienews für viele Leser sind. Deswegen dieses Mal das Batteriepack mit dabei.

Bis nächste Woche!

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