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E-Autos, Speicher und Wärmepumpen könnten noch schneller kommen

Das zeigt die Geschichte.

Hi Cleantechie!

Dieser Newsletter gibt dir jede Woche in 5 Minuten den Überblick über die wichtigsten Unternehmen, Forschungsdurchbrüche und Trends der Branche.

Das ist eine Jubiläumsausgabe: Cleantech Ing. gibt es jetzt sechs Monate. Ich danke allen 2840 Lesern und Leserinnen! Wenn ich könnte, würde ich persönlich vorbeikommen und dir die Hand schütteln, so sehr freut mich der Zuspruch. Aber dafür ist in der Cleantech-Welt zu viel los. Irgendjemand muss ja diesen Newsletter schreiben.

In dieser Woche schlagen wir ein Geschichtsbuch auf, denn manchmal müssen wir in die Vergangenheit fliehen, um zu sehen, was in Zukunft möglich ist. Wir waren schon einmal ganz gut darin, Energiesysteme umzustellen.

Außerdem werfe ich einen kurzen Blick auf die Zinsmärkte: von dort kommen ermutigende Nachrichten.

Let’s go!

E-Autos, Speicher und Wärmepumpen könnten noch schneller kommen

Bei Krautreporter haben wir heute ein neues Büro bezogen – und unverhofft habe ich dort etwas über die Energiewende gelernt. 

Das Büro befindet sich direkt neben einem der ältesten Umspannwerke Berlins. Früher wurden darin 6000V Drehstrom aus dem Kraftwerk Oberspree in zweimal 110V Gleichstrom umgewandelt. Heute wird darin immer noch Energie umgewandelt, allerdings wird diese nicht mehr über elektrische Leitungen zugeführt, sondern über den Mund. Das alte Umspannwerk ist heute ein Restaurant.

Das Umspannwerk war bei seinem Bau vor 120 Jahren Teil der ersten großen Energiewende, die Deutschland erlebte – das war ein für damalige Verhältnisse gigantisches Unterfangen.

Trotzdem brannten knapp 50 Jahre nachdem Werner von Siemens das dynamoelektrische Prinzip entdeckte und 40 Jahre nachdem Thomas Edison die erste Glühbirne entwickelt hatte, in mehr als 50 Prozent der Berliner Haushalte elektrisches Licht – ohne den Ersten Weltkrieg wäre die Zahl höher gewesen.

Der kurze Blick in die Geschichte zeigt, dass große Veränderungen im Energiesystem nicht zwangsläufig langsam ablaufen müssen. Das ist eine politische Entscheidung.

Der britische Energieanalyst Ben James schreibt in einem bemerkenswerten Blogpost:

Die meisten Menschen im Westen haben in ihrem Leben keine große Energiewende miterlebt. Wir denken, es sei unmöglich, neue Energieinfrastruktur schnell aufzubauen, weil wir es in jüngster Zeit nicht getan haben.

Er führt vier faszinierende Beispiele an, um seinen Punkt zu illustrieren.

Großbritanniens Regierung stellte in den 1960er Jahren von Stadtgas auf Erdgas um und „in nur zehn Jahren wurden 14 Millionen Haushalte umgerüstet und 40 Millionen Geräte ersetzt.“

Im Jahr 1936 hatten nur zehn Prozent der ländlichen Haushalte in den USA einen Stromanschluss. Die Regierung erließ deswegen den Rural Electrification Act. 14 Jahre später hatten 80 Prozent der ländlichen Haushalte einen Stromanschluss.

Die zwei letzten Beispiele sind aktueller.

Als die OPEC-Staaten im Jahr 1973 nach dem Beginn des Jom-Kippur-Kriegs ihre Ölproduktion drosselten, rutschte der gesamte zu dem Zeitpunkt noch öl-arme Westen in die sogenannte Ölpreiskrise. Frankreichs Regierung baute daraufhin generalstabsmäßig seine AKW-Flotte aus. „Zwischen 1980 und 85 ging in Frankreich alle 2–3 Monate ein neuer Reaktor ans Netz“, schreibt James. Lieferten AKWs Mitte der 1970er Jahre kaum ein Dutzend TWh, waren es im Jahr 2000 knapp 400 TWh. Von dieser Technologie kann heute jeder halten, was er will; aber diese Zahlen sind beeindruckend.

Zuletzt – hat kaum einer auf dem Schirm – Indonesien. Große Teile der Bevölkerung nutzen im Jahr 2007 noch Kerosin zum Kochen Punkt, aber die Regierung wollte diesen Treibstoff nicht länger subventionieren und setzte deswegen ein großes Umstiegsprogramm in Gang. Das Land stieg auf „Autogas“ oder LPG um (blaue Linie in der Grafik) und tat das in 5 Jahren:

Quelle: Ben James

Die vier Beispiele haben eine Sache gemeinsam: Die Regierung entschied sich bewusst für eine marktreife Technologie und setzte anschließend die ganze Macht, die nur ein Staat haben kann, ein, um diese Technologie einzuführen und durchzusetzen.

Daraus ergeben sich mehrere Schlüsse:

  1. Technologieoffenheit bei reifen Technologien ist immer eine Hinhaltetaktik. Eine Regierung, die sich nicht festlegen will, will in Wahrheit gar nichts tun. Paradebeispiel dafür war die verhunzte Einführung der Wärmepumpe in Deutschland. Das entsprechende Gesetz sah ein Sowohl-als-auch zwischen „H2-ready“-Boilern und Wärmepumpen vor.

  2. Ohne die Regierung geht es aber gerade zu Beginn nichts; egal, wie günstig oder vorteilhaft eine Technologie theoretisch wäre. Nur sie kann das Spielfeld abstecken und die Regeln festlegen. Und wenn sie – wie bei der E-Auto-Kaufprämie – von heute auf morgen die Regeln ändert, ist der Schaden nachhaltig.

Letztlich zeigt der Blick in die Geschichte – oder ein Blick aus meinem Bürofenster auf das Umspannwerk nebenan – dass alles schnell(er) gehen kann.

Aber zu guter Kommunikation für eine Technologie gehört auch gute Werbung für die technische Leistung, die dahintersteckt. Dazu gehört Begeisterung. Die vermisse ich zu oft in der öffentlichen Debatte, speziell auch unserer Spitzenpolitiker.

Begeisterung im Übermaß ist ein effektives Nervengift; sie vernebelt den Blick. Aber gut dosiert ist sie vor allem: krampflösend.

👉️ Steige tiefer ein

CHART: Die Cleantech-Finanzierungslücke und warum sie gerade kleiner wird

Bloomberg NEF hat berechnet: Um die Parisziele zu erreichen, müssen die Cleantech-Investitionen in diesem Jahrzehnt viermal so hoch wie die Investitionen in fossile Energie sein. Gegen Mitte des Jahrhunderts sogar zehnmal so hoch.

Im Jahr 2022 betrug der Faktor allerdings nur 0,73. Das bedeutet: Für jeden Dollar, der in Öl und Gas floss, flossen nur 73 Cent in erneuerbare Energie. Allerdings beziehen die Analysten nur westliche Banken in ihre Untersuchung mit ein; chinesische Industriepolitik ist aber noch stärker kreditgetrieben als westliche.

Dennoch: Die Banken müssen mehr tun, sie spielen eine Schlüsselrolle dabei, Technologien in den Massenmarkt zu bringen. Und das wird gerade wieder etwas einfacher.

Denn am Dienstagmorgen hat die chinesische Zentralbank die Zinsen um 50 Basispunkte gesenkt, vier Tage nachdem die FED, die Zentralbank der USA, um den gleichen Betrag kürzte (EZB: 0,25%).

Niedrigere Zinsen senken die Finanzierungskosten von erneuerbarer Energie. Das ist wichtig. Denn ein entscheidender Nachteil erneuerbarer Technologie gegenüber fossiler sind ihre hohen Anfangskosten (Betriebskosten sind aber oft niedriger).

Die Beratungsfirma Wood Mackenzie hat errechnet, dass ein Zinsanstieg um 200 Basispunkte den Bau eines Gas- und Dampfturbinenkraftwerks um 11% verteuert, während das erneuerbare Projekt um 20% teurer wird.

Fallen die Zinsen, werden neue Erneuerbaren-Projekte also etwas wahrscheinlicher.

Jobs & Deals

🚗 DeepDrive aus München bekam ca. €30 Millionen in einer Series B-Finanzierungsrunde, um Produktionslinien für Elektromotor-Technologien zu bauen, die für E-Autos verwendet werden. Lead: Leitmotif. Ein Dutzend offene Stellen, Initiativbewerbung möglich.

🌍 Phlair aus Berlin erhielt ca. €20 Millionen in einer Series A-Runde, um seine CO₂-Abscheidetechnologie weiterzuentwickeln. Lead: Extantia Capital. 7 offene Stellen, darunter Praktika und Werkstudenten.

🛠️ Smalt aus Berlin erhielt ca. €8 Millionen, um Schulungen für Solarinstallateure anzubieten. Lead: Noa. 8 offene Stellen.

🌱 Carbonfuture aus Freiburg sicherte sich eine nicht genannte Summe in einer Series A-Runde, um seine Zertifikate-Software weiter zu skalieren. Lead: Six. 2 offene Stellen: HR & Business Development.

👉️ Hier habe ich für dich eine Liste von Jobportalen für grüne Jobs zusammengestellt.

❓️ Sucht dein Unternehmen Mitarbeiter:innen? Schreib es mir!

Die wichtigen News

Nachrichten, über die die Branche gerade spricht.

Windenergie 🌬️

  • AMG eröffnet in Bitterfeld-Wolfen Europas erste Raffinerie für Lithium (pv magazine)

  • Baustelle für 360-Meter-Höhenwindrad eröffnet (Erneuerbare Energien)

  • Windkraft-Nachfrage weltweit steigt aufgrund von Chinas Energiepolitik (Asia Financial)

  • BP verkauft amerikanische Onshore-Windfarmen (The Times)

  • Durchbruch bei schwimmender Windturbine: Erste Komponentenaustausch auf See erfolgreich durchgeführt (Recharge News)

Elektromobilität 🚗

  • Markus Söder: Elektroautos sollen bayernweit kostenlos parken dürfen (Golem)

  • SPDFraktion will wohl für Verbrenner €6.000 Abwrackprämie fordern (Spiegel)

  • BMW und Redwood Materials schließen Batterierecycling-Deal (The Verge)

Energiespeicher 🔋

  • Weltweit größtes 30-MW-Schwungrad-Energiespeicherprojekt ans Netz angeschlossen (Energy Storage News)

  • Forschung: Die meisten Photovoltaik-Heimspeicher erfüllen die Garantieansprüche (pv magazine)

Andere Technologien 🌊⚛️♨️ 

  • Equatic: Carbon Removal und Wasserstofferzeugung gleichzeitig – Eine revolutionäre Technik? (Heatmap)

  • Elektrolyse ist bei 70 Prozent Grünstrom im Netz wirtschaftlich (pv magazine)

  • Mit doppelt so viel Geld könnte es klappen – Fernwärme in Deutschland (Energiezukunft)

  • Microsoft setzt auf Atomenergie für den wachsenden KI-Strombedarf (Ingenieur)

Der letzte Link

Verbrennt nichts, ist trotzdem ein Dauerbrenner hier in der Sparte: Die Siedler-Version, in der man ein Energiesystem bauen muss. Zeit Online hat den Erfinder des neuen Brettspiels interviewt (€).

Korrektur – In der letzten Ausgabe hatte ich einen fehlerhaften Link mitgegeben. Ich wollte euch nicht mein Recherche-Dokument in Notion zur Speicherkapazität in Deutschland mitgeben, sondern natürlich den Artikel. Grüße und eine Entschuldigung gehen raus an alle, die in eine Mauer gerannt sind, die ich auch als gebürtiger Thüringer nicht einreißen wollte und konnte.

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Rico Grimm

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