Das europäische Batteriebeben, kurz erklärt

Darin steckt eine Chance. Okay: Zwei Chancen, um genau zu sein.

Hi Cleantechie!

Dieser Newsletter gibt dir jede Woche in 5 Minuten den Überblick über die wichtigsten Unternehmen, Forschungsdurchbrüche und Trends der Branche.

Heute schaue ich auf die Lage der Batteriefabriken in Europa.

Hier hagelt es in den letzten Monaten eine schlechte Nachricht nach der anderen: Fabrikpläne werden gestrichen, Kapazitäten eingedampft und Produktionsziele gerissen. Was ist da los? Und wieso gibt es auch in der Industriepolitik einen Jo-Jo-Effekt?

Let’s go!

Das europäische Batteriebeben, kurz erklärt

Was passiert ist

  • Das schwedische Batteriestartup Northvolt überdenkt seine Ausbaupläne, nachdem BMW einen Auftrag über zwei Milliarden Euro storniert hatte. Die Firma hänge dem Zeitplan hinterher und produziere zu viel Ausschuss, so BMW.

  • Schon im Mai hatte die chinesische Firma Svolt vermeldet, doch kein neues Batteriewerk in Brandenburg bauen zu wollen. Ob das geplante Werk im Saarland jemals eröffnet wird, ist unklar. Auch hier hatte BMW zuvor einen Auftrag storniert.

  • ACC, ein Joint Venture von Mercedes, Stellantis und TotalEnergies, hat seine Fabrikpläne in Kaiserslautern und in Termoli, Italien, vorerst gestoppt.

  • Der südkoreanische Batterieproduzent SK On (Zulieferer von VW und Ford) ist am 7. Juli in Notfall-Management übergegangen.

  • Diese Meldungen sind wichtig, weil Batterien Grundlage für Speicher, E-Autos und viele andere Hightech-Geräte sind. Sie sind eine Schlüsseltechnologie, die von der US-Regierung genauso gefördert wird wie von der chinesischen und der Europäischen Union.

  • „Ohne eigene Batterieproduktion liefern wir nicht nur die Autoindustrie einem fernöstlichen Oligopol aus“, sagte Martin Winter, wissenschaftlicher Leiter der Batterieforschungsfabrik Münster zur Wirtschaftswoche (€)

Warum die europäischen Batteriehersteller gerade Probleme haben

Seit 2018 flossen weltweit laut des Analysedienstes Benchmark Mineral Intelligence mehr als $520 Milliarden Dollar in den Aufbau der Batterieproduktion.

Ende nächsten Jahres wird die Welt laut Bloomberg NEF mehr als fünfmal so viele Lithium-Ionen-Batterien produzieren können, wie sie tatsächlich benötigt. Der Löwenanteil dieser Batterien ist für den Einsatz in E-Autos gedacht.

Vor allem China (grüne Linie) sitzt auf großen Überkapazitäten, aber auch Europa (graue Linie) wird Ende 2025 seinen Bedarf fast zweimal decken können:

Die Überkapazitäten bedeuten aber nicht, dass Batterien überall auf der Welt gleich erschwinglich wären. Zölle zwischen den Handelsregionen verhindern das. In Europa waren sie im Jahr 2023 20 Prozent teurer – wobei der Trend zeigt, dass sich die Preise weltweit an den Leitmarkt China angleichen:

Interaktive Version hier

In absoluten Zahlen fallen die Preise stetig. $100 für die kWh galten lange als heiliger Gral. CATLs LFP-Akkus kosten nur noch $75 für die kWh. Auch in allen anderen Sektoren (stationäre Speicher, E-Busse) fallen die Kosten für Akkupacks.

Die Überkapazitäten sind entstanden, weil die wichtigsten Länder und Regionen der Welt eigene Batterie-Produktions-Kapazitäten subventionieren, um sich nicht von China abhängig zu machen. Deutschland zum Beispiel unterstützt die Northvolt-Fabrik in Heide mit €700 Millionen.

Gleichzeitig entwickelten sich die E-Auto-Verkaufszahlen speziell in den USA und Teilen Europas nicht so gut wie erhofft.

🍏 Was ich denke

Bei näherem Hinsehen relativiert sich das große Batteriebeben.

Wenn wir noch näher hinsehen, können wir sogar Chancen entdecken, dornige zwar, aber die sollen bekanntermaßen auch etwas wert sein.

Vier Punkte sind für mich entscheidend; sie bilden eine Leiter des Optimismus; mit jedem Schritt wird das Bild ein wenig lichter.

Beginnen wir mit einem Blick in die Vergangenheit.

  1. Wir erleben einen industriepolitischen Jo-Jo-Effekt.

Die heutigen Überkapazitäten lassen sich nicht ohne die Pandemie-Schocks erklären als u.a. auch deutsche Autohersteller wochenlang ihre Produktion drosseln mussten, weil sie keine Chips geliefert bekamen.

Seitdem sich zudem die Konfrontation zwischen den westlichen Ländern und China verschärft hat, haben Lieferketten auch eine sicherheitspolitische Dimension bekommen.

„De-Risking“ ist zu einem fundamentalen Denkkonzept von Unternehmenschefs geworden, ironischerweise auch der chinesischen, die ihre Produktionsstätten immer öfter außerhalb Chinas, in politisch neutralen Ländern wie Vietnam, errichten.

  1. Europa ist nicht per se bei Batterien von China abhängig, sondern bei den Rohstoffen und Vorprodukten

Batterien sind kein radikal globales Handelsgut, wie es etwa T-Shirts sind.

Sie werden meistens in jener Region verbaut, in der sie auch hergestellt werden, wie diese aktuelle Grafik der Internationalen Energieagentur IEA zeigt. Das bedeutet, dass Europa schon heute seinen eigenen Bedarf mehr als decken kann.

Interaktive Grafik hier

In Europa sind es zu mehr als zwei Dritteln südkoreanische oder europäische Hersteller, die die Batterien liefern. Firmen aus China produzieren in der EU nur etwas mehr als zehn Prozent der hergestellten Batterien (Tendenz steigend allerdings).

Das Bild ändert sich, wenn wir auch die Vorprodukte und Rohstoffe von Batterien einbeziehen. China dominiert den Markt für die Ressourcen und die Verarbeitung dieser Ressourcen komplett. So beschreibt der European Council of Foreign Relations diese Dominanz:

China kontrolliert etwa 41 % des weltweiten Kobalts, 28 % des Lithiums und 78 % des Grafits, das zumeist direkt in China abgebaut wird. Diese Dominanz ist bei der Verarbeitung dieser Mineralien noch ausgeprägter. Fünfundneunzig Prozent des Mangans, 73 % des Kobalts, 70 % des Grafits, 67 % des Lithiums und 63 Prozent des Nickels werden in Anlagen in China veredelt. Darüber hinaus produziert China 77 % der Kathoden und 92 % der Anoden, die wichtige Zwischenprodukte für Batteriezellen sind.

Diese Zahlen sind keine Neuigkeit, sie sind allen wichtigen Entscheidungsträgern bekannt. Schlagzeilen machen aber eben eher die Zellfabrikanten mit den bekannten Marken.

Für mich entscheidender ist deswegen, was die Produzenten der Rohstoffe und Vormaterialien tun. Und in diesem Bereich zeigen sich die Firmen etwas optimistischer, auch wenn sie von den ganz großen Investitionsplänen abrücken müssen:

  • BASF: „Die Abnahmeverträge für die Kathodenmaterialienproduktion in Schwarzheide gelten nach wie vor“

  • Rock Tech Lithium: „Die lokale Nachfrage [ist] größer als das europäische Angebot an Rohlithium, der Bau des Converters im Plan“

Auch Recyclingfirmen expandieren weiterhin. Das Aachener Startup Cylib konnte kürzlich in einer aufsehenerregenden Finanzierungsrunde weitere €55 Millionen einsammeln.

  1. Disrupt China: Es ist möglich

Wir sollten nicht drum herumreden; es wird schwierig für Europa, gegen die chinesische Konkurrenz eine eigene Batteriewertschöpfungskette aufzubauen.

Denn chinesische Firmen wie CATL und BYD haben ein knappes Jahrzehnt Entwicklungs- und Produktionsvorsprung. Die Kinderkrankheiten, die etwas Northvolt plagen, haben sie schon in den Zehner-Jahren durchgemacht. Beide Firmen investieren weiterhin große Summen in Forschung und Entwicklung (BYD und CATL jeweils $2 Milliarden pro Jahr).

Allerdings liegt darin auch eine Chance: Denn die chinesischen Firmen sind führend in der aktuellen Batterietechnologie. Sie müssen es aber nicht zwingend in der nächsten Generation sein, die von Festkörperbatterien, Silizium-Anoden oder sogar anoden-freien Batterien bestimmt sein könnten.

Die Logik dahinter kennen wir aus anderen Branchen bereits: Die dominante Firma kennt zwar die nächste Tech-Generation hervorragend, hat sie vielleicht sogar mitentwickelt, aber weil sie sich nicht von der alten, gewinnbringenden Technologie lösen kann, überholen Startups sie irgendwann.

Die Ironie wäre hier natürlich, dass in der Vergangenheit immer China erst auf-, dann überholen musste. Jetzt könnten dessen Firmen Gejagte werden.

Die KP China nimmt das Szenario ernst. Deswegen hat sie gerade die Konkurrenten BYD und CATL in eine Festkörperbatterie-Allianz gezwungen.

  1. Die Batterieschwemme ist ein Segen für die Energiewende

Die Batterieschwemme ist ein Fluch für die Hersteller, aber ein Segen für die Energiewende. Die Preise für E-Autos werden weiter fallen, was wiederum mehr Menschen dazu bringen wird, umzusteigen.

Außerdem müssen gerade viele Länder anfangen, große Marktspeicher in ihre Stromnetze zu integrieren, um die Folgen erneuerbarer Energie auszugleichen. Das fällt bei einem kWh-Preis von unter 100 Dollar leichter als bei einem kWh-Preis von über 300 oder 400 Dollar.

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🍏 Was denkst du? – Einige findige Leser haben schon entdeckt, dass ich den Kommentarbereich für diesen Newsletter freigeschaltet habe. Jetzt mache ich es offiziell und verlinke die Kommentarspalte auch einmal 😉 

Jobs & Deals

💶 Planqc aus München hat eine Serie-A-Finanzierung in Höhe von €50 Millionen erhalten, um mithilfe von Quantencomputern u.a. bessere Batterien für Elektrofahrzeuge zu entwickeln. (Leads: CATRON Holding und der DeepTech & Climate Fonds). Fünf offene Stellen in Garching bei München.

💶 Epilot aus Köln erhält €10 Millionen. Das Startup hilft Netzbetreibern und Stadtwerken bei der Digitalisierung und dem Management der Energiewende (Lead: Expedition Growth Capital). Mehr als ein Dutzend offene Stellen, darunter auch Werksstudenten-Jobs.

💶 kolum aus Berlin sammelt €2,1 Millionen in einer Seed ein (Lead: FoodLabs). Das Startup will Unternehmen bei der Umsetzung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) der EU helfen. Eine offene Stelle im Sales-Bereich.

👉️ Hier habe ich für dich eine Liste von Jobportalen für grüne Jobs zusammengestellt.

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🇬🇧 Die Abkehr von grüner Politik spielte eine Schlüsselrolle bei der Wahlniederlage der Tories (Link)

⚡️ FDP will bei Stromtrassen-Bau Erdkabel vermeiden (Link) Schau’ dir dazu auch meinen Crashkurs Erdkabel vs. Freileitungen an.

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