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Wie China das Rennen um die Solarkraft gewann
War es wirklich nur Staatshilfe? (Nope.)
Hi Cleantechie!
Dieser Newsletter gibt dir jede Woche in 5 Minuten den Überblick über die wichtigsten Unternehmen, Forschungsdurchbrüche und Trends der Branche.
Heute verzichte ich auf den Deep Dive, weil mein Bookmark-Speicher voller guter Links ist, die ich euch mal zeigen muss.
Es geht unter anderem um Mikrogrids, Regenwaldbänke, fragwürdige Geoengineering-Startups und stromhungrige KIs, die der Energiewende helfen.
Wer neu dabei ist und es noch nicht kennt: Ich empfehle Texte aus anderen Medien, querbeet. Niemand muss die alle lesen; ich fasse sie für dich zusammen. Natürlich kannst du sie aber alle lesen. Solltest du das tun, sag mir bitte Bescheid, dann ernenne ich dich in der nächsten Ausgabe zum Cleantechie der Woche 😉
Am Ende findest du noch eine Umfrage zu Heimspeichern. (Hier geht es direkt dorthin.)
Let’s go!
Die guten Links – SONDEREDITION
Deep Dives, die deine Zeit wert sind.
☀️ China hat mit unfairen Handelspraktiken die heimische Solarindustrie erledigt? „Das ist nur ein beruhigender Mythos.“
So beginnt dieser lange, spannende und detaillierte Text bei Bloomberg, in dem der Autor David Fickling der Frage nachgeht, warum die USA zwar grundlegende Technologien für Solarkraft entwickelt haben, aber China letztlich das Rennen machte.
Fickling veranschaulicht dies am Beispiel von Polysilizium, dem Ausgangsstoff unserer handelsüblichen Solarzellen. Im Jahr 2008 dominierte der Westen in einer oligopolartigen Struktur die Herstellung. Heute ist es China – unangefochten, wie die verschwindend kleinen grauen Balken in diesem Diagramm zeigen:
Vieles aus dem Text lässt sich problemlos auf Europa übertragen; Solarworlds Gründer Frank Asbeck – wer erinnert sich? – taucht sogar prominent im Text auf.
Die eine Seite der These im Artikel ist unstrittig:
Der Niedergang Amerikas als Solarsupermacht ist eine Tragödie, bei der kurzsichtige Unternehmensführung, zaghafte Finanzierung, oligopolistische Selbstzufriedenheit und politisches Chaos dazu führten, dass die USA und Europa ihre eigenen Cleantech-Industrien vernachlässigten.
Die andere Seite der These ist aber alles andere als unstrittig:
Chinas Vorsprung wurde nicht von staatseigenen Herstellern, subventionierten Krediten für Fabriken, Zöllen auf importierte Module oder dem Diebstahl ausländischen technologischen Know-hows angetrieben. Stattdessen stammt er von privaten Unternehmen, die von einer vielversprechenden Zukunft überzeugt sind, aggressiv investieren und globale Talente in eine boomende Branche locken.
Wer den ganzen Text liest, schaut danach anders auf die Cleantech-Handelskriege, anders auf Zölle auf chinesische E-Autos und anders auf chinesische Wirtschaftspolitik. Denn, so wie es Fickling darstellt, ist Solarenergie eine Paradebeispiel für die Effizienz von Märkten.
Das, ich formuliere es mal vorsichtig, ist eine originelle These und genau deswegen ist der Text empfehlenswert.
🤖 KIs verbrauchen Strom, und deswegen verfehlen die großen Techkonzerne ihre Klimaziele, obwohl sie auf einem guten Weg waren. Microsoft hat deswegen kürzlich sogar einen Reaktorblock im stillgelegten AKW Three Mile Island reaktiviert. Das ist nicht ideal für die Energiewende – so der Tenor.
Aber Ben James zeigt in diesem Text, dass mit den Tech-Riesen finanzstarke, risikobereite Investoren auf den Plan treten, die bereit sind, die Mehrkosten sauberer Energie zu tragen. „Es gibt viele Hindernisse für die Skalierung sauberer Energie, die nur durch politische Maßnahmen angegangen werden können. KI könnte der entscheidende Faktor sein, der Regierungen zum Handeln bewegt“, schreibt James.
⚡️ + 🏝️ = Energieinsel. So eine Insel soll Bornholm in der Ostsee werden. Drei große Windparks sind mit einer Power-to-X-Anlage auf Bornholm verbunden und könnten Mecklenburg-Vorpommern mit Wasserstoff versorgen. Es ist für dänische Verhältnisse ein Mega-Projekt, völlig zu Recht wird es als „dänische Mondmission“ beschrieben. Denn insgesamt 5,2 Milliarden Euro fließen; auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt hochgerechnet wären das 52 Milliarden Euro. Der NDR war vor Ort. (Vielen Dank an Frank für den Hinweis!)
Die dänische Energieinsel. Bis zu 900 Jobs sollen entstehen. Quelle: NDR.
🔋 Solide, umfangreich, guter Startpunkt. Dieser Ratgeber: „Stromspeicher für Photovoltaik: Lohnt sich die Anschaffung?“
🏦 Früher sind sie zu Goldman Sachs gewechselt, heute immer öfter zu Cleantech-Firmen: Angestellte der US-Regierung. Das sagt uns, dass Cleantech an Prestige und Lobbymacht gewinnt. Interessante Veränderung, dokumentiert von Heatmap.
🌊 Ich mochte diese Podcast-Folge von Redefining Energy mit Janice Goodenough sehr: Was entweder daran lag, dass ich in der Herbstsonne im Beet in meinem Garten stand, während ich sie gehört habe oder, wahrscheinlicher, daran, dass ich wirklich viel über Pumpspeicherkraftwerke gelernt habe. Sie haben ein bisschen Orchideenstatus – zu Unrecht.
🐮 Vielleicht eine Mü zu lang, aber hat einen originellen Blickwinkel: dieser Text in Climate Drift. Ohne Landwirtschaft werden wir die Klimakrise nicht lösen. Aber dafür muss sich die Landwirtschaft ändern. Das geht aber nicht, wenn immer weniger junge und damit innovative Menschen Landwirte werden. In Europa werden nur 5 % der Bauernhöfe von Menschen unter 35 geführt (PDF). Wie also können wir junge Menschen wieder in diesen Job kriegen?
♻️Das Problem: Recycletes Plastik, sogenanntes Rezyklat, ist ungefähr doppelt so teuer wie neues Plastik. Eine mögliche Lösung: Eine Einspeisevergütung für recylcetes Plastik. Wer es nutzt, soll die Preisdifferenz über Carbon Contracts for Differences (CCfD) vom Staat wiederkriegen. Die Höhe der Entschädigung bemisst sich daran, wie viel CO₂ dadurch eingespart wird. Smarte Idee! Flip hat die Details.
🔮Ich bin dankbar für diesen Text über das Geoengineering-Startup „Make Sunsets“. Denn die kleine Firma aus den USA ist mir in den letzten Monaten immer wieder begegnet: als die eine Lösung, die vor allem von Techbros völlig unkritisch gefeiert wird. Die Technologie dahinter ist nicht neu. Das Startup bringt mit Ballons Schwefeldioxid in die obere Atmosphäre, wo dieses Sonnenlicht reflektieren und so die Erde kühlen soll.
Die Kalifornier verkaufen „Kühlzertifikate“ für zehn Dollar das Stück, und wer bei diesem Wort skeptisch die Augenbraue heben muss, sollte sie besser oben lassen, denn völlig egal, ob man Solar Geoengineering bzw. Solar Radiation Management (SRM) gut oder schlecht findet: Es einfach so mal auszuprobieren und dann noch wertlose Zertifikate zu verkaufen, ist im besten Fall Nepp und im schlimmste Fall Hasardeurstum erster Güte.
Sieht ganz romantisch aus, ist es aber nicht: Die Geoengineering-Versuche von Make Sunset aus den USA. Quelle: Make Sunset.
🔋 Ein Text über die USA, den du mit einer Frage im Kopf lesen musst: Sieht es in Deutschland genauso aus? Geht das auch hier? Der Artikel im PV Magazin zeigt, dass es sich an manchen US-Standorten lohnen kann, auf einen Netzanschluss zu verzichten und nur auf PV und Batterien im lokalen Mikrogrid zu setzen. Magische Schwelle sind $0,25/KWh.
🌳 Seit Jahrzehnten kursiert die Idee, nun wird sie Realität: ein Klimafonds, der Länder belohnt, die ihre Regenwälder schützen. In meinen Augen ist ein solcher Fonds der einzige realistische Weg, die im Detail vertrackten ökonomischen Anreize bei der Regenwald-Abholzung umzukehren. Es muss sich lohnen, nicht abzuholzen. Nur dann wird der Bauer oder Kleinstmineur vor Ort davon absehen, die Säge anzusetzen.
Das soll so funktionieren: Staatliche Kredite sollen private Investments anlocken, die am Finanzmarkt angelegt werden. Von den Erträgen dieses Fonds werden Investoren bezahlt – und Länder, die ihre Wälder schützen. Es ist, wenn man so will, eine Waldbank. Moneyquote aus dem Text in der New York Times: „Wir sind an einem Punkt, an dem alle sagen: Schau, im Prinzip ist das verrückt, aber es ist auf eine irgendwie interessante Weise verrückt.“
Brandrodung im Amazonas. Die Ironie ist, dass der Boden des Amazonas nicht fruchtbar ist. Die Felder müssen oft nach wenigen Jahren aufgegeben werden. Quelle: WWF
📚️ Die FT präsentiert die besten neuen Bücher zum Thema Klima, und bei solchen Listen habe ich früher vor Freude und Zorn Herzrasen bekommen. Denn wer soll all diese interessanten Bücher lesen? Heute füge ich sie routiniert meiner Später-Lesen-Liste hinzu. Geduld ist eine Tugend. Der Text ist hinter einer Paywall, zwei Bücher von vier sind auf meiner Liste gelandet:
Könnte extrem dröge sein oder extrem spannend. Obamas Klimaverhandler Todd Stern beschreibt, wie es zum Paris-Abkommen kam: „Landing the Paris Climate Agreement: How it Happened, Why it Matters and What Comes Next.“ MIT Press.
Hoffentlich mehr als nur ein schönes Wortspiel im Titel: „More and More and More: An All-consuming History of Energy“. Allen Lane.
Die wichtigen News
Nachrichten, über die die Branche gerade spricht.
🔋 Batterien & E-Autos
Verbände warnen: „Abbau der Batterieforschung hat begonnen“ (Electrive)
Northvolt erhält eine 1,5 Milliarden Dollar Garantie zur Finanzierung
(Reuters)
Warum das Laden von E-Autos in Deutschland noch schwierig ist (Handelsblatt)
Ausschreibung von Schnellladesäulen für E-Lkw-Autobahnen gestartet (Erneuerbare Energien)
☀️ Solar & Wind
Trinasolar präsentiert erstes komplett recyceltes Solarmodul (Klimareporter)
Max Bögl baut das größte Windrad der Welt (Mittelbayerische)
♒️ Wasserstoff
Europa könnte beim Wasserstoff den Anschluss verlieren (Handelsblatt)
Blamage für die Brennstoffzelle in Hessen (Spiegel)
Yara treibt die Wasserstoffwirtschaft mit neuem Ammoniak-Importterminal voran
(Yara)
📈 🔧 Andere Technologien & Marktentwicklung
Flugtaxi-Startup Lilium steht vor der Insolvenz (Sifted)
Climeworks und Coca-Cola stellen neues Sprudelwasser mit luftgefangenem CO₂ vor (Carbon Herald)
China hat seit 2023 über 100 Milliarden Dollar in Cleantech im Ausland investiert
(Reuters)
China könnte CO₂-Emissionen bis 2035 um ein Drittel senken (Reuters)
EU plant Zölle auf chinesische Elektroautos – die deutsche Regierung ist besorgt
(ZDF)
Labour will fast 22 Milliarden Pfund in Projekte zur Kohlenstoffabscheidung investieren (The Guardian)
Neue Daten: Deutschlands Wälder brechen als CO₂-Speicher weg (Focus)
Zahl der Arbeitsplätze in der EE-Branche wächst weltweit um 2,5 Millionen (Erneuerbare Energien)
Anteil erneuerbarer Energien in Europa wächst – welches Land ist führend? Tipp: Das Siegerland ist kalt und mystisch. (Independent)
Jobs & Deals
💶 Speicherstartup Voltfang aus Aachen sichert sich €8,8 Millionen in einer Series-A. Lead: Forward One. 19 offene Stellen.
💶 Der ESG-Plattformanbieter Atlas Metrics erhält €12,2 Millionen in einer Series-A. 8 offene Stellen.
💶Die KI-Plattform für Gastro und Einzelhandel Foodforecast aus Köln bekommt €3 Millionen. Leads: Scalehouse Capital, Future Food Fund II. 6 offene Stellen, 3 Werksstudierenden-Jobs.
💶ESG-Analyse-Plattform Briink aus Berlin hat €3,85 Millionen in einer Seed eingeworben. Leads: EquityPitcher Ventures, 13books Capital. 5 offene Stellen.
💶 Wasser-Management-Plattform Pluvion aus Freiburg erhält €1 Million in einer Pre-Seed. Lead: D11Z. Initiativbewerbung möglich.
👉️ Hier habe ich für dich eine Liste von Jobportalen für grüne Jobs zusammengestellt.
❓️ Sucht dein Unternehmen Mitarbeiter:innen? Schreib es mir!
Der letzte Link
Geht es um Technik, gilt „neu“ oft als besser. Das ist mit Blick auf die aktuellen Lernraten bei Solartechnik oder Batteriespeichern richtig.
Aber es gibt nicht nur technische Lernraten, sondern auch persönliche.
Man, du, wir müssen an unseren Aufgaben wachsen, und dabei hilft immer ein Blick in die Vergangenheit. Der liefert Grund zur Ruhe, denn alles ist schon einmal dagewesen. Es tröstet doch zu sehen, dass den Pionieren vor 100 Jahren der gleiche Pessimismus entgegenschlug, wie er unsere Zeit mancherorts prägt. Der Blick zurück liefert aber auch Ansporn und Motivation; denn da waren Menschen, die Ideen hatten und was wagten.
So einer war Eugen Hänle, der 1955 in seiner Küche nach dem einen Werkstoff suchte, mit dem sich neuartige Windkraftanlagen konstruieren ließen. Das ruinierte seine Küche, revolutionierte aber die Windkraft. Der Stern widmet ihm anlässlich seines 100. Geburtstags ein schönes Porträt.
KORREKTUR: In der letzten Ausgabe hatte ich wieder einen falschen Link drin. Hier ist die Meldung zu Portugals Flatrate-Ticket.
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🔋 ❓️ Eine Bitte: Falls du einen Heimspeicher hast oder Menschen kennst, die einen haben, schick ihnen diese Umfrage! Das ist wichtig für die nächste Ausgabe dieses Newsletters, in der ich über die Rolle dieser Speicher in der Energiewende schreibe.
👋 Ich habe alles auf meiner Leseliste zur Seite geschoben. Denn Clemens Meyer hat einen neuen Roman veröffentlicht und wer sich von 1000 Seiten, wilden Geschichten aus dem Jugoslawienkrieg und brüchiger Handlung nicht abschrecken lässt, wird bestens unterhalten. Es ist ein Buch, das man liebt oder hasst.
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