Ein ganz großes Versprechen der Energiewende

Was du über Perowskit-Solarzellen wissen musst.

Hi Cleantechie!

Dieser Newsletter gibt dir jede Woche in 5 Minuten den Überblick über die wichtigsten Unternehmen, Forschungsdurchbrüche und Trends der Branche.

Es ist eine gute Woche. Denn in dieser Ausgabe räume ich ein Thema ab, das seit der ersten Ausgabe dieses Newsletters auf meiner Themenliste steht. Sie sind die nächste Verheißung des Solarzeitalters. Perowskit-Solarzellen.

Ich habe für dich eine Einführung geschrieben. Denn diese Technik wird immer wichtiger. In Brandenburg laufen sie schon vom Band.

Let’s go!

Der 10-Minuten-Crashkurs: Perowskit-Solarzellen

Das Versprechen der Technologie

Erst 2009 entdeckten japanische Forscher um Tsutomu Miyasaka, dass Perowskite sehr gute Halbleiter sind. Deswegen können sie in Solarmodulen anstatt des noch immer gebräuchlichen Silizium zum Einsatz kommen.

Damaliger Wirkungsgrad dieser Zellen: 3,8 Prozent. Nichts, was die Welt erschüttert hätte, zugegeben.

Aber trotzdem waren Perowskit-Zellen seit ihrer Entdeckung immer ein großes Versprechen der Solarindustrie. Denn ihr theoretischer Wirkungsgrad kann bei bis zu 31 Prozent liegen, höher als bei klassischen Silizium-Zellen. Wer Perowskite mit anderen Materialien kombiniert, kann diesen Wirkungsgrad noch einmal deutlich steigern. Theoretisches Potenzial einer sogenannten Dreischichtzelle: 45 Prozent.

Machen wir eine Milchmädchenrechnung: Im Jahr 2023 produzierte die Menschheit 1640 TWh Solarstrom mit einem durchschnittlichen Wirkungsgrad von 20 Prozent (Fraunhofer, PDF, S. 4&7). Würden wir alle diese Zellen durch Dreischichtzellen-Zellen ersetzen, könnten wir 12 Prozent des gesamten Strombedarfs der Menschheit erzeugen – ohne auch nur einen einzigen Quadratmeter zusätzlicher Fläche zu benötigen.

Wow.

Außerdem sind Perowskit-Solarzellen deutlich einfacher herzustellen als herkömmliche Silizium-Zellen. Die Produktionskosten könnten also niedriger sein, sobald alle Herstellungsprozesse erprobt sind.

Verzichten die Ingenieure auf das Silizium, können Perowskit-Solarzellen allerdings noch einen weiteren Vorteil ausspielen. Denn wer darauf verzichtet, verzichtet gleichzeitig auch, sich von den entsprechenden Lieferketten abhängig zu machen, die zu mehr als 80 Prozent von chinesischen Firmen dominiert werden.

Und inzwischen lösen Perowskit-Zellen auch das Versprechen aus dem Jahr 2009 langsam ein. Ihr aktueller Wirkungsgrad liegt bei gut 25 Prozent. Kombiniert mit Siliziumzellen hat ein chinesisches Team kürzlich 34,6 Prozent im Labor erreicht und damit einen neuen Weltrekord aufgestellt.

Diese Grafik zeigt dir, wie sich die Wirkungsgrade von Perowskit-Solarzellen in den vergangenen Jahren entwickelt haben.

Fassen wir zusammen: Perowskit-Solarzellen sind potentiell effizienter, billiger herzustellen und kommen ohne geopolitisch sensible Abhängigkeiten aus.

Wie erreichen Perowskit-Solarzellen so hohe Wirkungsgrade?

Sowohl Perowskit als auch Silizium-Zellen fangen Sonnenlicht auf und wandeln dieses in Strom um. Der große Unterschied zwischen beiden Typen liegt darin, wie sie das tun.

Wie eine Silizium-Zelle funktioniert

Beginnen wir kurz mit der grundsätzlichen Funktionsweise einer herkömmlichen Silizium-Solarzelle. Es gibt verschiedene Arten, Strom zu erzeugen. Der gängigste ist, Elektronen anzuschubsen und in Bewegung zu bringen.

Eine klassische Silizium-Solarzelle hat drei Schichten: Eine negativ geladene mit sehr vielen Elektronen, eine positiv geladene mit wenigen Elektronen und dazwischen eine Grenzschicht, die die Elektronen passieren können.

Die Elektronen allerdings brauchen einen Grund, sich zu bewegen. Und da ist es wie bei den Menschen: Geht die Sonne auf, geht es los. Die Photonen in den Sonnenstrahlen regen Elektronen an, durch die Zelle zu wandern. Dabei entsteht Gleichstrom, der dann via Wechselrichter in den gängigen Wechselstrom umgewandelt wird.

Allerdings: Jede Solarzelle, egal welchen Typs, kann nur mit ganz bestimmten Teilen des Lichts arbeiten. Sie ist auf eine bestimmte Wellenlänge spezialisiert. Man nennt das Bandlücke. Bei kristallinen Silizium-Zellen ist das etwa rot und infrarot.

Aber wer schon einmal lange in eine Infrarot-Lampe und danach wieder ins Licht geblinzelt hat, weiß, dass da noch ein paar Farben im Spektrum fehlen. Grün und andere. Es liegt an diesen Bandlücken, dass Solarzellen feste und theoretisch ermittelbare Grenzen bei ihrer Effizienz haben.

Wie eine Perowskit-Zelle funktioniert

Zunächst: Wer Perowskit im Periodensystem suchen würde, würde lange suchen.

Denn es ist kein Material wie Silizium, sondern eine ganze Klasse von Materialien mit einer bestimmten Kristallstruktur.

Hier eine vereinfachte Darstellung:

Was auffällt: Es ist ein komplexes Gebilde. Aber genau diese Komplexität ermöglicht ein einfacheres Handling der Elektronen. Salopp gesagt: In herkömmlichen Zellen brauchen die Photonen noch etwas Nachhilfe, damit sie die Elektronen bewegen können. In Perowskit-Zellen können sie das direkt erledigen.

Was auch noch auffällt: Das Gebilde besteht nicht nur aus einem Material, sondern aus mindestens drei. Dadurch lässt sich eine Perowskit-Zelle sehr gezielt auf bestimmte Wellenlängen einstellen, vor allem natürlich auf die Wellenlängen, die Silizium nicht abdecken!

Was man nicht auf der Darstellung sehen, aber noch wissen sollte. Perowskit-Zellen können aufgrund ihrer Materialeigenschaften und ihres Aufbaus mehr Photonen aus der Sonne verwerten als Silizium-Zellen. Sie betreiben „Photonenrecycling“. (Das ist nicht das Fachwort dafür, aber das konntest du dir wahrscheinlich schon denken.)

Das alles zusammen ist, vereinfacht gesprochen, der Grund dafür, dass die Wissenschaft leicht aus dem Häuschen war, als Perowskit-Zellen entdeckt wurden. Der theoretische Wirkungsgrad einer einzelnen Zelle ist bereits allein höher als bei Silizium.

Aber kombiniert mit Silizium oder anderen Materialien steigt der Wirkungsgrad nochmal weiter. Das sind dann sogenannte Tandemzellen.

Zudem die Produktion und Verwendung: Weil Perowskite Licht besser absorbieren, braucht es weniger Material. Das vereinfacht die Produktion, könnte Kosten senken und ermöglicht neue Einsatzfelder, weil sie viel leichter und dünner sind als klassische Solarzellen. Etwa als Folien oder an Hauswänden und wenn ich richtig ins Rumspinnen komme, könnten wir in noch ferner Zukunft Verbraucher direkt mit diesen Folien überziehen: Ein E-Auto, das sich selbst lädt, während es in der Sonne steht? Wie wär’s?

Quelle: VTT Oy

Das große Aber

Wenn du bis hierhin gelesen hast, hat sich ein Wort deine Nervenbahnen entlang geschoben und will jetzt raus: ABER.

Denn ja, es hört sich alles fantastisch an. Wo ist der Haken?

  1. Hält eine Silizium-Zelle auch mal 25 Jahre, hält eine Perowskit-Zelle ein Jahr. Vielleicht. Denn so genau wissen wir über die Haltbarkeit bisher nicht Bescheid. Es wird noch an standardisierten Tests für Perowskit-Zellen getüftelt.

  2. Die innere Stabilität der Zellen: Wasser und Sauerstoff können den Zellen zusetzen oder im Inneren können sich Ionen sammeln, wo sie nicht hingehören.

  3. Die größten Wirkungsgrade haben Perowskite, die das wasserlösliche Nervengift Blei enthalten. Ich sage es mal so: Wenn wir Blei aus unseren fossilen Kraftstoffen schon vor 24 Jahren verbannt haben, sollten wir es vielleicht nicht großflächig in unserem gesamten Lebensraum verteilen. Eine knifflige Aufgabe. Denn Zinn wäre zwar eine Alternative, ist aber nicht ganz so gut geeignet.

  4. Zuletzt ein ökonomischer Aspekt: Perowskit-Zellen bekommen im harten Solarmarkt keinen Anfängerbonus. Entweder sie sind besser und billiger, dann setzen sie sich durch. Oder sie sind es nicht, dann setzen sie nicht durch. Da es aber bisher keine Massenfertigung gibt, haben sie auch keine Chance, hohe Lernraten zu erreichen. Ohne hohe Nachfrage gibt es aber keine Massenfertigung. Vielleicht wären spezialisierte Anwendungen in der Nische der erste richtige Schritt.

Es ist angesichts dieser Herausforderungen möglich, dass Perowskit-Zellen erst mal ein großes Versprechen bleiben. Aber manche Firmen glauben das nicht, sie glauben, die Zeit ist reif.

Wer Perowskit-Solarzellen gerade auf den Markt bringen will

Nennenswert sind UtmoLight Com.Ltd aus China, ein Spin-Off der bekannteren Firma Svolt. Oxford PV aus Großbritannien, die ein Werk in Brandenburg an der Havel eröffnet haben und dort bereits Perowskit-Zellen für den Markt produzieren. Nennenswert sind aber auch Q-Cells aus Südkorea, die ein Werk in Planung haben.

Keine diese Firmen macht bisher große Umsätze. Verschiedene Agenturen kommen auf teilweise sehr unterschiedliche Schätzungen für die Marktgröße, aber alle sind kleiner als $500 Millionen Umsatz weltweit.

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Wer etwas älter ist und früh angefangen hat, Computer zu spielen, zuckt vielleicht auch immer mal wieder zusammen, wenn dieses in der Unreal Engine läuft oder jenes. Auf jeden Fall kein Ego-Shooter wie damals. Hier hat ein Team die Bildumgebung genutzt, um einen Solarpark nachzubauen.

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👋 Perowskit-Zellen – ein Name, der hängen bleibt. Ein wenig technisch, ein wenig geheimnisvoll. Lew Perowskit, ein russischer Mineraloge, war Namensgeber.

Und was so ein Name ausmachen kann: Denn als Junge blieben mir im Tierpark natürlich die Affen in Erinnerung und der mächtige Löwe. Am coolsten fand ich aber immer die Przewalski-Pferde – wegen ihres Namens 🐎 

Rico Grimm

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PS Ein Przewalski-Pferd:

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