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Warum China auf Cleantech setzt
Und Deutschland deswegen streitet.
Herzlich willkommen zur ersten Ausgabe von Clean Tech Ing.!
Dieser Newsletter gibt dir jede Woche in 5 Minuten den Überblick über die wichtigsten Unternehmen, Forschungsdurchbrüche und Trends der Branche.
Let’s go.
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Deutsche Solarbranche – ja, sie lebt noch…?
Der Schweizer Solarzellenhersteller Meyer Burger schließt endgültig seine letzte deutsche Fabrik in Freiberg, Sachsen, kündigt dafür 500 Mitarbeitern und schiebt Finanzminister Christian Lindner (FDP) die Schuld zu. Der hatte es abgelehnt, die deutsche Produktion von Meyer Burger mit Subventionen einem „Resilienzbonus“ vor billigen chinesischen Importen zu schützen.
Staatssekretär Michael Kellner (Grüne) hatte im Deutschlandfunk noch für die Unterstützung geworben und vor einer „Abhängigkeit von China“ gewarnt. Es sei wichtig, dass Kompetenz entlang der ganzen Wertschöpfungskette in Europa verbleibe, „über Polysilizium, den Ausgangsstoff, über Wafer und Ingots“, so Kellner.
🍏 Was ich denke
Der Solarmarkt ist möglicherweise schon weiter als die deutsche politische Debatte.
Denn im Februar verließ das deutsche Start-Up 1Komma5Grad den eigenen Lobbyverband – um gegen (!) staatliche Unterstützung zu protestieren, die die Großen bevorzugt und Newcomer, die bisher nicht die komplette Produktion in Europa stemmen können, benachteiligt hätte.
Aber: Hätte, hätte, Wertschöpfungskette. Lindner hat die Tür jetzt zugemacht, nächster Kampfplatz um Subventionen wäre dann Brüssel.
Der hessische Solartechnikhersteller SMA Solar hat unterdessen 2023 eines der besten Geschäftsjahre hingelegt. Umsatzsprung von 79 Prozent. Die Meldung dazu kam am selben Tag wie die Meyer-Burger-Nachricht von der Werkschließung. Bitte hier selbstständig ein Licht-Schatten-Wortspiel mitdenken.
Und kleines Quiz: Was ist das am schnellsten wachsende Unternehmen Europas? Raylyst Solar, tschechischer Großhändler, der chinesische Solarmodule importiert. Die Financial Times hat den 27-jährigen Gründer Jan Kameníček getroffen.
Ein China-Auto bald auch in deiner Straße – Chinas Cleantech-Boom ist kein Zufall
Die Zahl ist ein wenig irre: €820 Milliarden Euro wurden 2023 in den chinesischen Cleantech-Sektor investiert – das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt der Schweiz. Ohne Cleantech wäre Chinas Wirtschaft nur drei Prozent gewachsen statt der offiziell gemeldeten 5 Prozent.
Das Land erlebt einen grünen Boom – der Teil einer neuen ökonomischen Strategie der Führung ist.
Kontext ist hier wichtig. Chinas Wirtschaft underperformt (für chinesische Verhältnisse) seit vier Jahren. Erst die Pandemie, dann die Lockdowns, schließlich crashte der Immobilienmarkt im Herbst 2021. Blöd dabei: Große Investments in Wohnungen, Straßen, Brücken und Flughäfen waren in der Vergangenheit eigentlich das Mittel der chinesischen Führung, um ihr Land aus wirtschaftlichen Krisen zu führen. Nun ist genau dieser Sektor das Problem.
Chinas Führung hat deswegen entschieden: Wir exportieren uns aus dieser Krise heraus.
All die Kredite, die jahrzehntelang in den Bausektor flossen, gehen jetzt an die Hightech-Industrie, die davon unter anderem neue Fabriken für E-Autos, Solarzellen, Batterien und Windräder hochzieht und Abnehmer in der ganzen Welt sucht.
Die EU überlegt allerdings, chinesische Windräder zu verbieten und schaut, was es gegen Billig-Importe chinesischer E-Autos unternehmen kann. Schon jetzt ist jeder vierte E-Neuwagen in Europa chinesisch. Und auch die USA nehmen die neue chinesische Export-Strategie als Problem wahr. Finanzministerin Janet Yellen warnte davor ausgerechnet in einer Solarzellenfabrik des US-Unternehmens Suniva. Ausgerechnet – weil dieser Hersteller 2017 seine Produktion in den USA wegen der chinesischen Konkurrenz einstellte und jetzt dank großzügiger Subventionen der US-Regierung wieder aufnehmen konnte (und dafür auch Maschinen in Deutschland bei Centrotherm bestellte).
🍏 Was ich denke
Ein Cleantech-Handelskrieg beginnt gerade.
Denn das chinesische Drehbuch kennt die Welt bereits: Chinas Führung fördert bestimmte Industriezweige – und am anderen Ende der Welt machen die alteingesessenen Hersteller zu, weil sie nicht zu den gleichen niedrigen Preisen produzieren können. Deutsche Zement- und Stahlhersteller haben das in den vergangenen 20 Jahren erlebt.
So wird es dieses Mal aber nicht laufen. Der Subventionswettlauf zwischen EU, USA und China läuft. Jede dieser Mächte muss nun ihre Investments schützen und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat speziell den energiearmen Europäern klargemacht, wie wichtig erneuerbare Energien für sie sind. Sie werden das nicht alles outsourcen.
Warten auf die AKW-Renaissance (im Westen)
In Brüssel trafen sich Delegierte aus 32 Ländern zum ersten Atomkraft-Gipfel der Geschichte. Wie bei solchen hochrangigen Treffen üblich enthielt das Abschlussdokument wenig Verbindliches, aber einen Reaktortyp hoben die Delegierten explizit hervor: Small Modular Reactors (SMRs).
Wer im Westen neue AKWs bauen will, hofft auf die kleinen Atomreaktoren, die billiger als herkömmliche Reaktoren sein und schneller ans Netz gehen können sollen. Problem: Seit Jahren schon machen SMRs Schlagzeilen, aber spürbar voran scheint es nicht zu gehen.
In Ruanda will das deutsch-kanadische Atomunternehmen Dual Fluid einen Versuchsreaktor errichten. Gleichzeitig allerdings hat das US-Unternehmen Nuscale im Herbst angekündigt, einen ersten Prototyp doch nicht zu bauen. Grund: zu teuer. Die Wirtschaftswoche nannte das einen „Tiefschlag für die Nuklearindustrie“ und das war noch nett ausgedrückt. Denn Nuscale war die Vorzeigefirma im SMR-Bereich. Sie sollte den ersten SMR im Westen ans Netz bringen. In den USA läuft aber noch je ein Projekt von Bill Gates’ Terra Power (natriumgekühlt) und X-Energy (gasgekühlt). Hier findest du einen nützlichen Überblick über die Atomprojekte in den USA.
Auch europäische SMR-Projekte wie Nuward von Electricité de France (EDF), RoPower Nuclear aus Rumänien oder ULC Energy aus den Niederlanden gehen bisher nicht über Projektskizzen in verschiedenen Detailstufen hinaus.
🍏 Was ich denke
SMRs haben strukturelle Probleme, die Erneuerbare nicht haben. Deswegen kommen sie gerade nicht vom Fleck.
Während erneuerbare Energie umso billiger wird, je öfter sie eingesetzt wird (auch weil China so viel in die Produktion investiert), stehen SMRs erst am Anfang solcher Lernkurven. Diese aber werden am Ende entscheiden, ob es eine neue Energieform in den Massenmarkt schafft oder nicht.
Selbst gegenüber herkömmlichen AKW-Reaktoren werden SMRs noch Jahrzehnte wirtschaftliche Nachteile haben. Eine Studie des Öko-Instituts errechnete (PDF, S 2021), dass 3000 (!) SMRs gebaut werden müssten, bis sie genauso billig Strom produzieren können wie herkömmliche AKWs. Und mal Kosten beiseitegelassen: Die regulatorischen Anforderungen an SMRs lassen sich vereinfachen, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Denn auch kleine Atomkraftwerke können genutzt werden, um Atomwaffen zu bauen.
Deswegen sind auch SMRs gegenüber anderen Kraftwerksarten im Nachteil. Diese Nachteile nimmt nur in Kauf, wer ein überragendes Interesse daran hat, rund um die Uhr Energie zur Verfügung zu haben (wie etwa Microsoft) und/oder atomtechnische Expertise im Land halten will, weil davon die nationale Sicherheit abhängt.
Dazu passend: Ein französischer Reaktor produziert jetzt wieder das Wasserstoffisotop Tritium, das es braucht, um die Kettenreaktion in einer Wasserstoffbombe aufrechtzuerhalten.
Wenn du diese Zeile liest, kannst du dir sicher sein, dass irgendwo in Berlin gerade ein glücklicher Newsletter-Schreiber sitzt. Denn das heißt, dass du bis ans Ende meiner Premieren-Ausgabe gekommen bist! 🥳
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Und falls du gerade keine Zeit hast, habe ich noch eine Abkürzung gebaut. Eine kurze Frage, ein Klick, fertig:
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